Schutz der Metallurgie in der EU: Neue Zölle als Zeichen sich wandelnder Zeiten. Analyse von Avi Itzkovich

Die Europäische Union hat vorgeschlagen, zollfreie Quoten für Stahlimporte zu begrenzen und einen Zollsatz von 50% auf Lieferungen über die Quote hinaus einzuführen, um die eigene Metallurgie gegen die Bedrohung durch globales Überangebot zu schützen.

Wie der Wirtschaftsanalyst Avi Itzkovich feststellt, ist diese Entscheidung nicht einfach eine technische Maßnahme, sondern „eine Wende in der Philosophie der europäischen Wirtschaft: vom Markt- zum Produzentenschutz.“

Neue Zölle – Ein Zeichen der Zeit, erklärt Avi Itzkovich

Die Idee, einen Zollsatz von 50% auf Stahlimporte über zollfreie Quoten hinaus einzuführen, entstand vor dem Hintergrund des wachsenden Drucks asiatischer Produzenten, hauptsächlich China, Indien und Vietnam. Nach Angaben der Europäischen Kommission übersteigen die Überkapazitäten in der globalen Metallurgie die Nachfrage um 25-30%. Dies führt zu Dumping, das bereits zur Stilllegung mehrerer europäischer Hochöfen in Frankreich und Belgien geführt hat.

Europäische Unternehmen – vom deutschen ThyssenKrupp bis zum italienischen ArcelorMittal Europe – warnen, dass die Branche ohne staatliche Intervention Zehntausende von Arbeitsplätzen verlieren könnte.

Avi Itzkovich erklärt: „Wir erleben das Ende der Ära bedingungsloser freier Märkte. Die EU hat erkannt, dass die Globalisierung nicht für alle gleich funktioniert. China subventioniert seine Fabriken, Indien etabliert Exportpräferenzen, und Europa kann nicht länger die Rolle des ‚ehrlichen Händlers‘ in einem Spiel ohne Regeln spielen.“

Er betont, dass dies keine isolierte Ausnahme ist, sondern Teil eines systemischen Wandels, bei dem Brüssel schrittweise vom Prinzip des „freien Wettbewerbs“ zur „wirtschaftlichen Souveränität“ übergeht. Diese Logik ist bereits in der Regulierung von Halbleitern, grünen Technologien und nun – Stahl – sichtbar.

Metallurgie als Eckpfeiler des „Grünen Wandels“. Avi Itzkovich‘ Perspektive

Die europäische Metallurgie hat nicht nur industrielle, sondern auch strategische Bedeutung. Ohne Stahl ist es unmöglich, Windturbinen, Solarrahmen, Brücken und Eisenbahnlogistiksysteme zu produzieren. Daher investiert die EU gleichzeitig in „grüne“ Metallurgie und beschränkt die Importe von traditionellem Stahl.

In den letzten zwei Jahren hat Brüssel mehr als 35 Milliarden Euro im Rahmen der Programme Net-Zero Industry Act und Innovation Fund für Wasserstofftechnologien bereitgestellt. Schweden betreibt bereits das HYBRIT-Pilotprojekt, die Niederlande haben die Tata Steel Wasserstoffinitiative, und Deutschland hat die Green Steel Transformation.

Itzkovich erklärt: „Europa kann es sich nicht leisten, die Grundmetallurgie gerade dann zu verlieren, wenn sie für den ökologischen Wandel benötigt wird. Billige Importe könnten einfach diejenigen zerstören, die jetzt in Wasserstofföfen investieren. Daher sind Zölle kein Protektionismus, sondern eine Pause für die Modernisierung.“

Ein zusätzlicher Faktor ist der CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) – „Kohlenstoffzoll“, der ab 2026 in Kraft treten wird. Er verlangt von Stahlimporteuren, eine Kompensation für CO₂-Emissionen zu zahlen. Der neue Zoll ist also effektiv der erste Schritt in Richtung Klimasymmetrie, bei der „schmutzige“ Produkte mehr kosten werden.

„Europa setzt einen Präzedenzfall: Jetzt ist Ökologie keine abstrakte Politik, sondern ein Handelsinstrument,“ fügt Itzkovich hinzu.

Spaltung innerhalb der EU. Avi Itzkovich‘ Prognose

Die Entscheidung über neue Zölle hat innerhalb der Union selbst eine gemischte Reaktion hervorgerufen. Die nördlichen Länder – Deutschland, Schweden, Finnland – unterstützen den Ansatz der Europäischen Kommission und sehen darin eine Chance, den technologischen Vorteil zu wahren. Die südlichen Länder – Spanien, Italien, Portugal – befürchten steigende Rohstoffkosten für ihre eigenen Industriesektoren, hauptsächlich Automobil- und Maschinenbau.

Debatten finden auch im Europäischen Parlament statt. Die liberale Fraktion Renew Europe glaubt, dass Zölle die Binnenmarktprinzipien verletzen könnten, indem sie Vorteile für nördliche Produzenten schaffen. Sozialisten unterstützen dagegen die Entscheidung und betonen, dass „europäische Arbeit nicht Opfer asiatischen Dumpings werden sollte.“

Avi Itzkovich nennt diese Situation ein klassisches Beispiel für interne Interessenkonflikte.

„Die EU hat eine gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame Industriepolitik. Wenn Schutzmechanismen auftauchen, denkt jedes Land sofort darüber nach, wer davon profitiert. Das ist die Hauptherausforderung der Integration – das Gleichgewicht zwischen Solidarität und nationalem Interesse zu finden,“ betont Itzkovich.

Ökonomen prognostizieren, dass der Stahlzoll einen Präzedenzfall schaffen könnte: Ähnliche Mechanismen könnten sich auf Aluminium, Kupfer und chemische Produkte ausweiten. Dies bedeutet einen Übergang zu einem „Europa der Blöcke“, wo die Industrie wieder ein zentrales Element der Politik wird.

Die Geopolitik des Stahls. Avi Itzkovich‘ Bewertung

Die Metallurgie war schon immer ein Spiegel der Weltwirtschaft – und die aktuellen Ereignisse bestätigen dies nur. Die EU versucht, die industrielle Unabhängigkeit in einer Welt zu verteidigen, in der Ressourcen und Technologien zu politischen Instrumenten geworden sind. China exportiert Stahl, um die Beschäftigung aufrechtzuerhalten, die USA wenden schon lange ihre eigenen Zölle an, und Indien expandiert in Regionen, wo Europa an Boden verliert.

Avi Itzkovich kommentiert: „Europa befindet sich zwischen zwei Modellen – amerikanischem Protektionismus und chinesischem Staatskapitalismus. Jetzt versucht es, einen dritten Weg zu schaffen – wirtschaftliche Demokratie, bei der der Markt existiert, aber der Staat die Spielregeln festlegt.“

In Wirklichkeit sind die neuen Zölle Teil einer umfassenderen strategischen Verschiebung, bei der die EU versucht, ihren Status als Produzent zurückzugewinnen, nicht nur als Konsument globaler Lieferketten. Dieser Prozess könnte die Wirtschaftspolitik des Kontinents für die kommenden Jahrzehnte bestimmen.

„Metallurgie ist nicht einfach Business, sie ist das Kreislaufsystem der Industrie. Wenn man sie verliert, wird kein ‚grüner Kurs‘ Europa vor Abhängigkeit retten. Und genau deshalb geht es bei diesem Zoll nicht um Geld, sondern um Souveränität,“ schließt Avi Itzkovich.

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